Potenziale autonomer Fahrzeuge zur Erweiterung der Mobilität von Bewegungs- und Wahrnehmungsbehinderten : eine Studie im Untersuchungsraum Aachen
- The potential of autonomous vehicles to expand the mobility of people with physical and sensory disability
Lindner, Christine; Kuhnimhof, Tobias Georg (Thesis advisor); Pfaffenbach, Carmella Diana (Thesis advisor)
Aachen : RWTH Aachen University (2021)
Doktorarbeit
Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 2021
Kurzfassung
Die fortschreitende Entwicklung autonomer Fahrzeuge bietet neue Möglichkeiten zur sozial inklusiven Gestaltung von Mobilität. Menschen mit Behinderung sind derzeit sowohl im individuellen als auch im öffentlichen Verkehr mit zahlreichen Barrieren konfrontiert, die die Ausübung ihrer Mobilität beeinträchtigen. Autonome Fahrzeuge stellen keine Anforderungen an die Qualifikation des Nutzers als Fahrer und könnten daher bei entsprechend barrierefreier Gestaltung zur Erweiterung der eigenständigen Mobilität von Menschen mit Behinderung beitragen. Tatsächliche Auswirkungen der Einführung autonomer Fahrzeuge sind jedoch wesentlich von der Bereitschaft zur Nutzung und der Nutzbarkeit bzw. Barrierefreiheit des Systems abhängig. Von Seiten der Forschung aus bestehen daher seit mehreren Jahren Bemühungen, die Akzeptanz der Technologie vorab zu ermitteln, um Wechselbeziehungen bei der Einführung abzuschätzen sowie die Ausgestaltung der Technologie unter Einbindung der Nutzer zu optimieren. Trotz der bestehenden Untersuchungen stellen Menschen mit Behinderung eine gering beforschte Personengruppe dar, die sich jedoch in ihren Anforderungen und Bedürfnissen bei der Nutzung autonomer Fahrzeuge wesentlich von der allgemeinen Bevölkerung unterscheidet. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde daher eine qualitative Interviewstudie mit Menschen mit Behinderung durchgeführt, um die bestehenden Forschungslücken zu schließen. Die Gruppe der Interviewteilnehmer setzt sich aus Geh-, Seh- und Hörbehinderten zusammen. Im Rahmen der Studie wurde zunächst die Zufriedenheit der Interviewteilnehmer in Bezug auf ihre bestehenden Mobilitätsoptionen erfasst, um die Attraktivität des Wechsels zu einer Alternative abzubilden. Darauffolgend wurden die Interviewteilnehmer zu ihrer A-Priori-Akzeptanz gegenüber der Nutzung autonomer Fahrzeuge befragt. Dabei wurden insbesondere Erwartungshaltungen sowie die generelle Bereitschaft zur Nutzung abgebildet. Weiterhin wurden die Interviewteilnehmer zu behinderungsspezifischen Gestaltungsanforderungen befragt. Das angenommene Anwendungsszenario war der Einsatz autonomer Fahrzeuge in Form von Shuttlesystemen. Entsprechend wurden sowohl Anforderungen an die Fahrzeuggestaltung als auch an die Buchungssysteme erfasst. Die Ergebnisse der Interviewstudie ergaben, dass derzeit insbesondere Menschen mit Geh- und Sehbehinderung bei der Ausübung von Mobilität mit Barrieren konfrontiert sind. Beide Personengruppen sind derzeit vorwiegend auf Fußwege sowie den ÖPNV angewiesen und erfahren Schwierigkeiten bei der Nutzung beider Optionen. Der Wechsel zu einer Mobilitätsalternative ist daher voraussichtlich für beide Gruppen besonders attraktiv. Hörbehinderte können weitestgehend frei über die von ihnen genutzten Mobilitätsoptionen entscheiden und unterscheiden sich in ihrer Mobilität nur geringfügig von Menschen ohne Behinderung. Die Akzeptanz gegenüber der Nutzung autonomer Fahrzeuge war bei allen drei Personengruppen hoch. Als Gründe für das Interesse an der Nutzung nannten Sehbehinderte vorwiegend die Verbesserung von Komfort und Autonomie. Für Hörbehinderte spielten generelle verkehrliche Entwicklungsmöglichkeiten eine wichtige Rolle. Personen aus der Gruppe der Gehbehinderten nannten, in Abhängigkeit der Schwere ihrer Einschränkung, alle drei Themengebiete. Nur wenige Interviewteilnehmer lehnten die Nutzung prinzipiell aus Angst vor Technikausfällen ab. Die Interviewteilnehmer diskutierten insbesondere Probleme, die sich aus den Platzanforderungen von Menschen im Rollstuhl ergeben sowie Probleme Sehbehinderter beim Einstieg und Finden des richtigen Fahrzeugs. Darüber hinaus stellte die intuitive Bedienbarkeit der Fahrzeuge eine wichtige Anforderung für die Nutzer dar, um ältere Menschen und Menschen mit geringerer Technikaffinität nicht von der Nutzung auszuschließen.
Einrichtungen
- Lehrstuhl und Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr [313310]
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2021-09783
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2021-09783