Chancen des ÖPNV in den Zeiten einer „Renaissance der Städte“

 

Ausgangslage

Dem ÖPNV bieten sich mit den absehbaren sozio-demographischen Entwicklungen in den kom-menden Dekaden neben Herausforderungen auch Chancen. Der öffentliche Verkehr hat in den letz-ten 20 Jahren ein Qualitätsniveau erreicht, der zu einem positiven Image in der Bevölkerung geführt hat. Hierdurch wird ein serviceorientierter und leistungsfähiger ÖPNV von weiten Bevölkerungskrei-sen als gleichwertige Alternative zum eigenen Pkw wahrgenommen.

Zudem existieren erste empirische Indizien für eine neue Urbanisierungsentwicklung im Sinne eines „Trends zurück zur Stadt“. Quartiere in innerstädtischen Lagen werden aufgrund der Nähe zu vielfäl-tigen Aktivitätengelegenheiten zunehmend wieder als attraktives Wohnumfeld wahrgenommen. Be-wusst entscheiden sich bestimmte Personengruppen für ein Leben in einem urbanen Umfeld („be-wusste Stadtbewohner“). Dabei ist weitgehend unklar, welche Personenkreise dies in Zukunft sein werden. Unstrittig ist dabei, dass die Qualität des ÖPNV-Angebots als positiver Standortfaktor wahrgenommen wird. Jedoch ist ungeklärt, welches Gewicht unterschiedlichen Formen des ÖPNV bei der Entscheidung für einen urbanen Wohnstandort zukommt, und andererseits, wie sich die Renaissance der Städte qualitativ und quantitativ auf die künftige ÖPNV-Nachfrage auswirkt.

Zielsetzung

Ziel des Forschungsvorhabens ist die Bewertung der Chancen und Risiken des ÖPNV vor dem Hin-tergrund einer „Renaissance der Städte“. Das Vorhaben soll klären, wie und in welchem Maße eine Renaissance der Städte dazu beitragen kann die ÖPNV Nachfrage positiv zu beeinflussen und wel-che stadt- und verkehrsplanerischen Strategien hierbei fördernd oder hemmend wirken.

Weitere Zielsetzungen in diesem Zusammenhang sind:

  • Aufzeigen von Potenzialen, Rahmenbedingungen und Trends sowohl für eine Renaissance der Städte sowie die künftige Entwicklung des ÖPNV

  • Charakterisierung der Gruppe der „bewussten Stadtbewohner“ insbesondere hinsichtlich ih-res Mobilitätsverhaltens sowie ihrer Einstellungen zur Verkehrsmittelnutzung

  • Identifizierung von Motiven und Anforderungen der „bewussten Stadtbewohner“ an ihren Wohnstandort generell sowie ÖPNV-spezifisch. Analyse des Wirkungszusammenhangs zwi-schen verschiedenen ÖPNV Angebotsqualitäten (S-Bahn, Stadtbahn, Bus etc.) und der Wohnstandortwahlentscheidungen

  • Definition verschiedener Szenarien bestehend aus stadt- und verkehrsplanerischen Interven-tionen (Angebots-/ Erschließungsstrategien im ÖPNV insbesondere zielgruppenspezifische Maßnahmen wie Mobilitätsmanagement; Strategien der städtebaulichen Entwicklung von Gebieten)

  • Bewertung der Szenarien und Quantifizierung der Effekte, Einschätzung der Wirksamkeit der Interventionen im Hinblick auf die Stärkung der Städte und des ÖPNV differenziert nach un-terschiedlichen Raumtypen; Aussagen zur Übertragbarkeit

Vorgehensweise

Schwerpunkt des Projekts ist die Durchführung einer umfangreichen Primärempirie zum Verhalten und Motiven der „bewussten Stadtbewohner“ in 3 Modellstädten. Es wird erwartet, dass die künftige Entwicklung in Hinblick auf die Renaissance der Städte und der Entwicklung des ÖPNV in den ein-zelnen Räumen unterschiedlich verlaufen wird. Daher werden Modellregionen mit unterschiedlichem strukturellen und verkehrssystematischen Hintergrund gewählt, um so ein möglichst breites Spekt-rum an zu erwartenden Entwicklungen abzubilden.

Die ausgewählten Modellstädte werden in zwei Phasen analysiert. In der ersten Analyse werden die Potenziale einer Renaissance der Städte, anhand verfügbarer Daten und Ergebnisse (Bevölke-rungsstrukturen, Wanderungssalden, Bevölkerungsvorausberechnung, Flächenverfügbarkeit) quanti-fiziert. In der zweiten Analysephase erfolgt die postalische Befragung zugezogener Bewohner (Mo-tivstudie) mit folgenden inhaltlichen Aspekten:

  • Wohnstandorte und Umzüge

  • Wunschwohnstandorte/ Determinanten der Wohnstandortwahl

  • Motive der Wohnstandortwahl

  • Ausstattung der Haushalte mit Mobilitätswerkzeugen und Mobilitätsverhalten

  • Einstellung zu den Verkehrsmitteln (Psychologischer Ansatz)

Im Anschluss erfolgen die Entwicklung eines Wirkungsmodells sowie eines Bewertungsverfahrens zur Bewertung unterschiedlicher Szenarien für die einzelnen ausgewählten Modellstädte. Mit Hilfe des zuvor erarbeiteten Bewertungsverfahrens werden die Zusammenhänge zwischen Standortqualität und den resultierenden Korridoren der erwarteten Entwicklung des ÖPNV abgebildet und bewertet. Insbesondere wird die Wirkung der oben genannten Einflüsse auf die zu erwartende Nachfrage des ÖPNV abgebildet. Auf Basis der Bewertung der Szenarien werden schließlich Empfehlungen für eine strategische Ausrichtung des ÖPNV in den Zeiten der „Renaissance der Stadt“ erarbeitet. Hierbei werden insbesondere Angebotskonzepte sowie das damit verbundene zielgruppenorientierte Marketing im Sinne eines umfassenden Mobilitätsmanagements betrachtet.

Auftraggeber:
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS)

Projekt im Forschungsprogramm zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden (FOPS), FE-Nr. 73.336

Projektträger:
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR)

Laufzeit:
November 2009 – März 2010

Bearbeiter am ISB:
Dipl.-Ing. André Bruns, Dipl.-Ing. Jan Benden

Projektpartner:
STRATA Gesellschaft für Daten- und Informationsmanagement mbH, Karlsruhe