Kurzfristprognosen von Verkehrszuständen auf Basis von Verfahren der Mustererkennung und von dynamischen Routensuch- und Umlegungsverfahren

  • Short-Term Prediction of Traffic States Based on Methods of Pattern Recognition and Dynamic Traffic Assignment

von der Ruhren, Stefan; Beckmann, Klaus J. (Thesis advisor)

Aachen : Publikationsserver der RWTH Aachen University (2006, 2007)
Doktorarbeit

Aachen, Techn. Hochsch., Diss., 2006

Kurzfassung

Vor dem Hintergrund steigender Verkehrsbelastungen vor allem in Ballungsräumen und bedingt durch knapper werdende finanzielle Ressourcen sowie gestiegene Sensibilität gegenüber Netzneubau- oder -ausbaumaßnahmen gewinnen Konzepte zur effizienten Nutzung der vorhandenen Verkehrsinfrastrukturen zunehmend an Bedeutung. Dies erfordert ein effizientes Verkehrsmanagement mit einer vorausschauenden Verkehrssteuerung sowie eine entsprechende Bereitstellung von Informationen für die Nutzer. Hierzu werden Systeme zur Überwachung und zur Prognose von Verkehrszuständen, welche vorausschauende und flächendeckende Informationen über Verkehrszustände bereitstellen, benötigt. In der Praxis können Verkehrszustände in städtischen Räumen auf Grund der begrenzten Dichte von Detektionseinrichtungen nur auf einer Untermenge der Netzelemente identifiziert werden, für den überwiegenden Teil der Netzelemente müssen die Verkehrszustände geschätzt werden. Somit ist für eine netzweite Prognose neben der zeitlichen Extrapolation (Prognose) auch eine räumliche Extrapolation erforderlich. Eine Analyse der verfügbaren Ansätze und Verfahren zur netzweiten Verkehrsprognose zeigt, dass allgemeingültige Verfahren zur Lösung der beiden Teilprobleme räumlicher und zeitlicher Extrapolation von lokal gemessenen Verkehrszuständen im Echtzeitkontext für umfangreiche städtische Netze bislang noch nicht verfügbar sind. Durch Einbindung von Verkehrsumlegungs- und Verkehrsflusssimulationsmodellen können Verkehrszustände unter Nutzung von historischen und aktuell gemessenen Daten geschätzt werden. Aufgrund der Möglichkeit, ausgehend von lokalen Beobachtungen mit Hilfe von Umlegungs- oder Simulationsmodellen netzweit Verkehrszustände abschätzen zu können, erscheint die Gruppe dieser Verfahrensansätze für eine flächendeckende Prognose besonders geeignet. In dieser Arbeit wird ein Konzept für ein Prognosesystem entwickelt, welches auf einer iterierten dynamischen Umlegungsanpassung als Werkzeug zur netzweiten Rekonstruktion aktueller Verkehrszustände und zur Prognose zukünftiger Verkehrszustände basiert. Die Iteration von dynamischer makroskopischer Routensuche und Umlegung einerseits sowie die Anpassung der zu Grunde liegenden Verkehrsnachfrageinformation anhand gemessener Verkehrsstärken durch ein Matrixkorrekturverfahren andererseits gestattet die Modellierung von Rückkopplungen auf das Routenwahlverhalten sowie die Abbildung von Steuerungsmaßnahmen wie auch die Erarbeitung von kollektiven und individuellen Leitempfehlungen. Ein Prognosemodell für Aufgaben des städtischen Verkehrsmanagements muss insbesondere auch verkehrliche Sonderereignisse berücksichtigen. Aus diesem Grund wird im vorgestellten Konzept eine Kombination der iterativen Umlegungsanpassung mit Verfahren der Mustererkennung zur Identifikation von Verkehrslagen und von verkehrlichen Sonderereignissen entwickelt. Hierbei identifiziert ein hierarchisch gestufter Mustererkennungsprozess Verkehrslagen und Sonderereignisse durch Vergleich aktueller Informationen aus Detektionseinrichtungen mit historischen Daten und steuert den Prozess der iterierten Umlegungsanpassung durch Bereitstellung situationsspezifischer Nachfrageinformationen. Das Ergebnis ist ein verminderter Aufwand bei der Rekonstruktion bzw. eine verbesserte Abbildung des aktuellen Verkehrszustandes. Das Verfahren liefert Verkehrsbelastungen und Reisezeiten für alle Netzelemente für Prognosehorizonte von bis zu ca. 2 Stunden und orientiert sich somit an den im Rahmen des städtischen Verkehrsmanagements steuerungsrelevanten Zeithorizonten. Das vorgestellte Prognosesystem ist als selbstlernendes System konzipiert, in dem neu auftretende verkehrliche Situationen in eine Wissensbasis aufgenommen werden und für eine zukünftige Nutzung bei erneutem Auftreten eines entsprechenden Ereignisses zur Verfügung stehen. In der Phase des Aufbaus eines Kurzfristprognosesystems ist die Erstellung und Strukturierung einer Musterbasis von besonderer Bedeutung. Zur Unterstützung dieses Prozesses werden Verfahren des Data-Minings sowie zur Segmentierung von Datenmengen vorgestellt und diskutiert. Außerdem werden die Anforderungen an die Eingangsgrößen für das konzipierte Prognosesystem formuliert. Neben Anforderungen an das Verkehrsnetzmodell werden die Erstellung und Verwaltung situationsspezifischer Zeitreihen "dynamischer" (d.h. für kurze Zeitintervalle gültige) Matrizen der Verkehrsnachfrage beschrieben. Weiterhin wird die Problematik der Verfügbarkeit und Einbindung von aktuell gemessenen Online-Daten des Verkehrsablaufes in das Prognosesystem diskutiert. Die Kernkomponenten des entwickelten Prognosesystems werden am Beispiel eines großen städtischen Verkehrsnetzes mit realen Online-Daten getestet. Dabei konnte in einem ersten Schritt die generelle Tauglichkeit des entwickelten Verfahrens zur Erkennung von Verkehrslagen und zur netzweiten Abbildung von Verkehrszuständen unter Beweis gestellt werden.

Einrichtungen

  • Lehrstuhl und Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr [313310]

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